Kooperieren und Koordinieren

Der Zweinutzungshuhnansatz stellt besondere Anforderungen an die Logistiker_innen, Vermarkter_innen und Kund_innen. Denn wenn Hennen und Hähne im gleichen Verhältnis gehalten werden, müssen auch ihre Produkte in diesem Verhältnis vermarktet werden: 180 bis 230 Eier pro Henne über ein knappes Jahr hinweg, ein Hahn und ein Suppenhuhn.

 

Was beim ei care Ansatz zusammengehört, muss jedoch über getrennte Warenkanäle zu Verbraucher_innen gelangen. Dies erfordert, dass Landwirt_innen, Zwischenhandel, Einzelhandel und Verbraucher_innen ihre Routinen aufeinander abstimmen. Insbesondere bei der Vermarktung von Frischfleisch wird deutlich, dass hier Kooperation notwendig ist für koordiniertes Handeln.

 

Kooperieren in der Nische

Die Analysen haben deutlich gezeigt, dass der Großteil der Ernährungswirtschaft stark von der Maxime der Kosteneffizienz und damit verbundenen Prinzipen der Spezialisierung und Arbeitsteilung geprägt ist. Auch Akteure der Bio-Lebensmittelwirtschaft, die alternative Modelle der Produktion, Verarbeitung und des Handels etablieren möchten, werden von diesen Anforderungen beeinflusst. Die Etablierung der WSK für Produkte des Zweinutzungshuhns widerspricht an mehreren Punkten vorherrschenden Logiken der Lebensmittelwirtschaft.

 

Aufgrund der kleinen Anzahl an Produktionsbetrieben können die Produkte bisher nicht ganzjährig angeboten werden – der Handel (und die Konsument_innen) müssen sich daher auf ein diskontinuierliches Angebot von Kleinstmengen einlassen, dessen Handling schwer in die eingeübten Routinen eingepasst werden kann. Die erfolgreiche Bestellung ganzer frischer Hähnchen an den Fleischtheken im Bio-Fachhandel hatte daher vielfältige Abstimmungs- und Kommunikations-Hürden zwischen den beteiligten Partnern (Landwirt_innen, Schlachter_innen, Marktgesellschaft, Großhandel, Einzelhandel, Konsument_innen) zu überwinden.

 

Wegen der damit verbundenen Schwierigkeiten wurde gegen Ende des Projekts dazu übergegangen, auch tiefgefrorene Teilstücke zu vermarkten. Diese Lösung kommt auch dem Kund_innen-Segment entgegen, die nicht über die Kompetenzen verfügen, ein ganzes Tier zu verarbeiten bzw. als Singles hierfür keine Verwendung haben.

 

Nachhaltigkeitsverständnis über die Wertschöpfungskette

Eine Ursache für Koordinierungsherausforderungen kann in Differenzen beim Nachhaltigkeitsverständnis und den dazugehörigen Zielen liegen. Ein umfassendes Nachhaltigkeitsverständnis wird selten systematisch expliziert und stillschweigend von einem geteilten Verständnis auf die Kooperationsziele geschlossen. Entlang der Wertschöpfungskette können jedoch, z.B. je nachdem, welche Rolle man in der Wertschöpfungskette einnimmt, unterschiedliche Vorstellungen von Nachhaltigkeit bestehen.

 

Mit Hilfe eines webbasierten Tools konnten Landwirt_innen, Vertriebsmitarbeiter_innen und Ladenbetreiber_innen deshalb angeben, welche Nachhaltigkeitsziele ihrer Meinung nach am wichtigsten für den Mehrwert des Regionalprojekts Zweinutzungshuhn sind und inwiefern diese Ziele bereits erreicht werden.

 

Tierwohl, Verwertung des Huhns und Erhalt von Arten

Die Ergebnisse zeigten, dass den beteiligten Akteur_innen vor allem ökologische Ziele wie Tierwohl, die vollständige Verwertung des Huhns und der Eier sowie der Erhalt von Arten wichtig sind. Diese Ziele werden nach Ansicht der Befragten auch schon sehr gut erreicht. Ökonomische Aspekte wurden vergleichsweise selten als wichtigste Ziele ausgewählt und auch deren Erreichung kann noch deutlich verbessert werden. Sie wurden jedoch sehr häufig mündlich angesprochen. Größte Einigkeit über den Erreichungsgrad zwischen den drei Akteursgruppen besteht beim Tierwohl und bei den regionalen ökonomischen Effekten und teilweise bei der vollständigen Verwertung.

 

Die Ziele Zukunftsfähigkeit, Handelsqualität und den Erhalt von Arten sehen Landwirt_innen und Ladenbetreiber_innen ähnlich gut umgesetzt, den Vertrieb deutlich schlechter. Mündliches Feedback zu den Nachhaltigkeitszielen offenbarte eine Kommunikationslücke zwischen Landwirt_innen und Ladner_innen. Auch aufgrund der großen Unterschiede in der Bewertung der Nachhaltigkeitsziele zwischen den Gruppen scheint ein verstärkter Austausch empfehlenswert. Fast alle Beteiligten waren sich einig, dass deutlich kommuniziert werden muss, was ei care Produkte von anderen Bioeiern unterscheidet. Dafür eignen sich die ökologischen Ziele, die in der Toolanwendung sehr gut bewertet wurden. Die Ergebnisse dieses Tools können als Grundlage für die Entwicklung der Kommunikationsstrategie dienen.